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HRV verstehen: Was ist Herzfrequenzvariabilität und warum ist sie für Radsportler so wichtig?

Was sagt Dir Dein Herz über Deine Trainingsbereitschaft? In diesem Artikel erklärt Coach Björn Kafka, was es mit der Herzfrequenzvariabilität (HRV) auf sich hat – und warum sie für Rennradfahrer ein echter Gamechanger in Sachen Trainingssteuerung und Regeneration ist. Verständlich, praxisnah und mit konkreten Tipps zur Umsetzung.

Von Björn Kafka  |  3 Minuten Lesedauer

HRV: Herzfrequenzvariabilität Rennrad Radsport
Über den Autor Björn Kafka

Björn Kafka lebt mit seiner Familie in München und widmet sich als selbstständiger Experte der Elite im Radsport. Der 45-Jährige trainiert und coacht Radprofis aus den Bereichen Mountainbike, Straßen- und Bahnradsport, darunter auch Ausnahmetalente. Als Mitgründer von Aerotune und Entwickler des Powertests hat er es sich zur Lebensaufgabe gemacht, die Auswertungsmöglichkeiten von Leistungstests und Trainingseinheiten stetig zu optimieren. Mit seiner Buchreihe Functional Fitness wurde er zum Bestsellerautor in der Fachliteratur. Zudem schrieb Björn als Redakteur für das BIKE Magazin und als freier Autor für das TOUR Magazin.

Veröffentlicht: 17. Juli 2025

Was ist HRV überhaupt?

Die Herzfrequenzvariabilität – kurz HRV – beschreibt die feinen zeitlichen Schwankungen zwischen den einzelnen Herzschlägen. Im Gegensatz zur reinen Herzfrequenz (z. B. 60 Schläge pro Minute) misst die HRV, wie gleichmäßig oder unregelmäßig diese Schläge aufeinander folgen. Und genau in dieser Unregelmäßigkeit liegt eine enorme Aussagekraft.

Ein Beispiel: Bei einem Puls von 60 bpm erwarten viele, dass der Abstand zwischen den einzelnen Schlägen genau eine Sekunde beträgt. Doch bei einer hohen HRV kann es sein, dass ein Abstand 0,95 Sekunden beträgt, der nächste 1,05 Sekunden – im Durchschnitt bleibt es bei 60, aber die Variabilität ist hoch.

Diese Schwankungen werden vom autonomen Nervensystem gesteuert – konkret vom Zusammenspiel zwischen dem Sympathikus (Leistungsnerv) und dem Parasympathikus (Ruhenerv). Je besser diese beiden Pole miteinander kommunizieren, desto besser funktioniert die Anpassungsfähigkeit Deines Körpers. Und genau das ist das, was wir im Training und in der Regeneration brauchen.


Warum HRV für Radsportler so wichtig ist

HRV Trainingsbereitschaft

Als Trainer arbeite ich mit vielen ambitionierten Rennradfahrern, die sich auf Wettkämpfe, Radmarathons oder persönliche Leistungsziele vorbereiten. In der Praxis sehe ich oft: Die Fähigkeit, hart zu trainieren, ist nicht das Problem – sondern die Fähigkeit, rechtzeitig zu regenerieren. Und genau hier wird HRV zum wertvollen Steuerungsinstrument.

1. HRV misst Deine Trainingsbereitschaft

Ein hoher HRV-Wert zeigt an, dass Dein Körper frisch, ausgeruht und bereit für intensive Belastung ist. Ist der Wert niedrig, signalisiert das: Dein vegetatives Nervensystem ist gestresst – sei es durch vorheriges Training, Schlafmangel, mentale Belastung oder Krankheit. Wer in diesem Zustand weiter in hohen Intensitäten trainiert, riskiert eine Verschlechterung der Trainingsanpassung oder sogar Übertraining.

2. HRV hilft bei der Trainingssteuerung

Durch tägliches Messen der HRV kann ich als Coach zusammen mit meinen Athleten entscheiden: Heute all out – oder lieber locker rollen? Besonders in strukturierten Trainingsphasen (z. B. vor dem Saisonhöhepunkt oder in der Base-Phase) kann HRV helfen, Trainingsimpulse punktgenau zu setzen – also dann, wenn der Körper sie auch wirklich gut verarbeitet.

3. HRV erkennt Stress frühzeitig

HRV ist nicht nur vom Training abhängig, sondern auch stark vom mentalen und emotionalen Zustand. Hoher Arbeitsstress, Beziehungsprobleme oder Schlafstörungen senken die HRV deutlich – oft bevor es überhaupt zu körperlichen Symptomen kommt. Für Rennradfahrer:innen, die ihren Sport neben dem Alltag betreiben, ist HRV deshalb ein Frühwarnsystem.


Wie misst man HRV richtig?

HRV Whoop Armband

Zur HRV-Messung braucht es kein Labor – ein Brustgurt (z. B. Polar H10) oder ein modernes Wearable (z. B. WHOOP, Oura Ring oder Garmin-Uhren mit HRV-Funktion) reichen vollkommen aus. Wichtig ist aber, dass die Messbedingungen standardisiert sind.

Mein Tipp: Die Morgenmessung

Die zuverlässigste Methode ist die Morgensmessung direkt nach dem Aufwachen – noch im Liegen, vor dem ersten Kaffee oder Checken des Handys. Je nach Tool dauert die Messung zwischen 1 und 5 Minuten. Idealerweise führst Du sie täglich durch, um individuelle Schwankungen im Kontext zu verstehen.


Wichtige HRV-Kennzahlen für Radsportler

Es gibt verschiedene Parameter, die bei der HRV-Messung zum Einsatz kommen. Für Radsportler sind vor allem folgende Werte relevant:

  • RMSSD (Root Mean Square of Successive Differences): Der meistgenutzte Wert für Tagesvergleiche. Gibt Aufschluss über den parasympathischen Tonus (Regenerationszustand).

  • SDNN (Standardabweichung der NN-Intervalle): Gesamte HRV – geeignet für Langzeitmessungen (24h).

  • LF/HF-Ratio: Verhältnis zwischen Leistungs- und Ruhenerv – eher für Fortgeschrittene relevant.

Viele Tools übersetzen diese Werte in eine einfache Skala (z. B. WHOOP Recovery Score oder Garmin-Trainingsbereitschaft), was es im Alltag leichter macht, Entscheidungen zu treffen.


Wie interpretiert man HRV sinnvoll?

HRV ist individuell – was für Dich ein Top-Wert ist, kann für jemand anderen niedrig sein. Deshalb gilt: Weniger der absolute Wert zählt, sondern die Tendenz. Achte auf:

  • Plötzliche Einbrüche: Ein starker Rückgang über mehrere Tage kann ein Zeichen für Überlastung sein.

  • Stabile Hochphasen: Wenn Deine HRV konstant hoch bleibt, bist Du trainingsbereit.

  • Langsamer Abwärtstrend: Hinweis auf schleichende Erschöpfung oder zu viel Intensität im Training.

Als Coach kombiniere ich HRV-Daten mit weiteren Infos: subjektives Belastungsempfinden, Schlaf, Puls, Stimmung und Leistungsdaten auf dem Rad. Erst das Zusammenspiel ergibt ein stimmiges Bild.


Typische Fragen aus dem Rennrad-Alltag

„Ich habe einen niedrigen HRV-Wert, soll ich mein Training absagen?“

Nicht zwangsläufig. Manchmal reicht es, den Trainingsreiz zu reduzieren: statt Intervallen lieber Grundlageneinheit. Oder nur aktive Regeneration. Erst wenn die Werte über mehrere Tage niedrig sind und Du Dich auch so fühlst, sollte man gezielt pausieren.

„Kann man HRV gezielt verbessern?“

Ja – allerdings indirekt. Durch bessere Schlafhygiene, regelmäßige Atemübungen, ausreichend Regeneration, gute Ernährung und mentale Ausgeglichenheit lässt sich der Parasympathikus stärken – und damit die HRV positiv beeinflussen.


Fazit: HRV – das unsichtbare Fenster in Deine Trainingsbereitschaft

Für Radsportler ist die Herzfrequenzvariabilität ein mächtiges Tool, das weit über die klassische Pulsuhr hinausgeht. Sie gibt Dir Einblick in das, was Du nicht fühlst – Deinen inneren Stresszustand, Deine Anpassungsfähigkeit, Deine Kapazität für Belastung.

Im Training mit meinen Athleten hat sich HRV als wertvolle Ergänzung zu Leistungsdaten, subjektivem Empfinden und Coachinggesprächen etabliert. Es ist kein Wundermittel – aber ein starker Begleiter auf dem Weg zu besserer Performance, smarterem Training und nachhaltiger Gesundheit.

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